Ein Besuch auf dem Dottenfelder Hof

Von oben sieht es aus, als hätte jemand ein Schachbrett aufs Feld gelegt. Unzählige Quadrate reihen sich aneinander. Mal etwas gelber, mal etwas grüner und manchmal schimmert auch der fruchtige, lößhaltige Boden durch. Bienen und andere Insekten fliegen von einer winzigen gelben Blüte zur nächsten, der Wind trägt das gemütliche Muhen der Kühe herüber. Und obwohl die hektische Banken-Metropole Frankfurt am Main gerade mal eine halbe Stunde entfernt ist, dreht sich hier, in der sogenannten Niddaschleife, alles um den Ackerbau. Und das seit mehr als tausend Jahren.
Schon damals dürfte Leindotter vor allem als Öl-Lieferant eine bedeutende Rolle gespielt haben. Doch in den vergangenen Jahrzehnten geriet das aromatische Kreuzblütengewächs regelrecht in Vergessenheit. Heute bauen nur noch wenige Landwirte Camelina sativa an, Forschungsprojekte dazu gab es in Deutschland zuletzt in den 1990er Jahren.
Mit Unterstützung der Ölmühle Moog und der Zukunftsstiftung Landwirtschaft begann auf dem Dottenfelderhof deshalb 2019 das Projekt „Evaluierung von Sorten und genetischen Ressourcen des Leindotters“.
Ziel der zunächst auf drei Jahre angelegten Forschung ist es, die bestehenden genetische Ressourcen des Leindotters zu sichern, die Eigenschaften der mehr als 20 aktuell erhältlichen Leindotter-Sorten zu beurteilen und so die Verbreitung der Pflanze zu unterstützen. Die Erkenntnisse fließen zudem in die Auswahl von Kreuzungspartnern für Neuzüchtungen ein, die in diesem Frühjahr begonnen haben.
Vor Ort erzählt Projektleiter Ben Schmehe von der bisherigen Arbeit, während sein Blick über die gelben Parzellen schweift. Jeden Tag steht er hier draußen auf dem Feld, um seine Schützlinge zu begutachten. Die trockene Witterung im vergangenen Jahr hat zu teils erheblichen Ertragsverlusten geführt, erzählt er. Eine Methode, Ertragsverluste zu minimieren ist die Mischkultur, bei der verschiedene Kulturen gleichzeitig auf einem Feld angebaut werden. Zurzeit werden auf dem Dottenfelderhof verschiedene Mischkultur-Varianten von Hafer und Leindotter erprobt.
Zudem hat Ben Schmehe bereits begonnen, einige viel versprechende Sorten gezielt zu kreuzen. Dafür hat er per Hand Blütenstaub einiger Leindotter-Sorten gesammelt und Blüten anderer Sorten damit bestäubt. Bei den winzigen Blüten bedarf diese Arbeit viel Fingerspitzen, erklärt der Diplom-Geograph. Zumal die Blüten danach auch noch eine kleine Tüte übergestülpt bekommen, damit Insekten diese nicht noch einmal bestäuben.
Ob die Arbeit am Ende erfolgreich sind, kann Ben Schmehe erst in ein paar Jahren sagen. Denn obwohl die Kreuzungen nach dem ersten Jahr oft sehr gute Eigenschaften aufweisen, zeige sich erst nach sechs, sieben Jahren, welche Eigenschaften tatsächlich Bestand haben. Ganz konkret geht es beim Leindotter natürlich um den Ertrag und die Anfälligkeit gegenüber Krankheiten. Da die Pflanze aber vorwiegend als Ölsaat, also für die Herstellung von Speiseölen verwendet wird, prüft Ben Schmehe gemeinsam mit der Ölmühle Moog vor allem auch den Ölgehalt, den Geschmack und die Fettsäurezusammensetzung der Saaten.
Sind die Projektteilnehmer in einigen Jahren mit der neuen Sorte zufrieden, kann beim Bundessortenamt der sogenannte „Sortenschutz“ beantragt werden. Die Prüfung dauert dann noch einmal drei Jahre, bevor die Landwirte die neue Saat tatsächlich in die Erde bringen können.
In der Landwirtschaft gilt Leindotter als pflegeleichte Pflanze, und das daraus gewonnene goldgelbe und sehr milde Öl ist reich an Omega 3 und Vitamin E. Die Ölmühle Moog nutzt die Pflanze seit 2015 für die Herstellung des BIO PLANÈTE Leindotteröles „Aus meiner Heimat“. Zudem bietet Leindotter reichlich Nektar und Pollen für Bienen, Hummeln und Co. Kein Wunder also, dass der Imkerverband Ben Schmehe und seine Kollegen bereits vor einigen Jahren um die Bearbeitung dieses Forschungsfeldes bat. Kein Wunder also, dass der Deutsche Imkerbund die Forschung am Leindotter bereits vor einigen Jahren finanziell unterstützt hat.
Geforscht wird auf dem Dottenfelderhof allerdings schon viel länger. Die landwirtschaftliche Nutzung ist bis ins zehnte Jahrhundert zurück belegt, seit 1968 wird das Land durch eine Betriebsgemeinschaft aus mehreren Familien bewirtschaftet.
Der Hof ist heute im Besitz der Landbauschule Dottenfelderhof e. V., die 1974 gegründet wurde. Ihre Aufgaben sind die Sicherung der biologisch-dynamischen Bewirtschaftung des Hofes, die Züchtungs- und Forschungsarbeit und die Ausbildung. Mehr als 100 Menschen leben und mehr als 130 arbeiten auf dem Hof, der mit seinem Grünen Klassenzimmer, der Käserei, der Holzofenbäckerei und dem Hofladen längst auch ein beliebter Ausflugsort für Tagestouristen ist.